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Ist Steuerhinterziehung ein Kavaliersdelikt?

Steuerhinterziehung ist laut deutschem Recht (§ 370 AO – Abgabenordnung) eine Straftat, welche mit einer Geldstrafe oder sogar bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden kann. Aber: Die Abschreckung, die sich der Staat davon erhofft, scheint viele deutsche Steuersünder nicht wirklich zu interessieren.

Wenn wieder eine Steuer CD aus dem Ausland auftaucht oder bei einem Steuersünder die Büros und die Wohnung im Zuge der Steuerfahndung geleert werden, hoffen viele ehrliche Steuerzahler, dass dem ganzen jetzt endlich mal ein Riegel vorgeschoben wird und die, die sich die ganze Zeit auf Kosten der Allgemeinheit bereichern, bestraft werden. Nur: Die meisten, die erwischt werden, scheint das nicht sonderlich zu interessieren!

Warum auch? Denn obwohl immer mehr Steuersünder erwischt werden, die Zahlen sind seit 2004 steigend und fast alle Fälle durch das Finanzamt und die Gerichte abgearbeitet werden können (über 99 %), werden viele Verfahren vorzeitig eingestellt – eine Gefängnisstrafe wird selbst bei schweren Fällen kaum verhängt und oft gibt es nicht einmal eine Geldstrafe oder Geldauflage.

Sprich: Wer überhaupt erwischt werden sollte, kommt oft glimpflich oder unbeschadet davon.

Abschreckung sieht anders aus: So wurden allein im Jahr 2009 4.130 Verfahren wegen Steuerhinterziehung eröffnet, aber 1.100 Verfahren mit einer Geldauflage – also die Zahlung einer Summe statt einer Strafe oder Vorstrafe – abgeschlossen. Das wäre an sich nicht erwähnenswert, wenn diese Zahl nicht knapp 5 Jahre zuvor bei 25 % weniger Verfahren genauso hoch gelegen hätte.

Die Tendenz der deutschen Justiz und des Finanzamtes ist es also mehr und mehr, Verfahren wegen Steuerhinterziehung gegen Deals mit den Angeklagten vorzeitig zu beenden, anstatt lange hinzuziehen. Natürlich stellt auch eine Geldauflage im Grunde eine Strafe dar – nur ist man danach weder strafrechtlich verurteilt noch vorbestraft.

Statt Steuerhinterziehung als Straftat zu verfolgen und zu bewerten, läuft es so in vielen Fällen darauf hinaus, dass das ganze mehr den Charakter von Falschparken bekommt: Man macht es, wird vielleicht erwischt und bekommt mit hoher Wahrscheinlichkeit keine ernstzunehmende Strafe und zahlt diese aus der Portokasse. Steuerhinterziehung wird so von einer schweren Straftat zu einem Kavaliersdelikt herabgewürdigt.

Dazu kommt, dass die Verfolgung von Steuerstraftaten je nach Bundesland unterschiedlich ausfallen: Während man als Steuerhinterzieher in Berlin und Brandenburg, sowie Mecklenburg-Vorpommern, mit härteren Strafen rechnen muss, kann man einem Verfahren in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg fast schon gelassen entgegensehen.

Und selbst in Ostdeutschland ist das ganze relativ zu sehen – denn harte Strafen gibt es hier fast nur für Schmuggeldelikte, die dort aufgrund der Nähe zu Polen und Tschechien einfach häufiger Auftreten. Gerade die süddeutschen Bundesländer geben sich bundesweit gern als Hardliner bei der Verbrechensbekämpfung, bei Steuerhinterziehern scheint das aber aufzuhören.

Aufgrund des Gemisches aus niedrigen Strafen, relativ kurzen Verjährungsfristen und geringer Aufdeckungsquote ist Steuerhinterziehung rein gesellschaftlich als ein Kavaliersdelikt zu werten, solange die Strafverfolgung seitens des Staates lieber auf kürzere Verfahren und „Ausgleichszahlungen“ anstatt gerechte Strafverfolgung setzt.