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Außergewöhnliche Belastungen – Nichtanerkennung von „typischen Anschaffungen“

Wer durch eine Behinderung oder Krankheit eingeschränkt ist und wem dadurch höhere Kosten entstehen, beispielsweise für eine behindertengerechte Einrichtung der Wohnung, Kosten für eine Heilbehandlung oder Heilmaßnahmen oder für die Anschaffung besonderer Gegenstände, die aufgrund der Einschränkung notwendig sind, kann dies im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen von der Steuer absetzen – aber auch nicht alles!

Notwendigkeit muss attestiert werden

In jedem Fall verlangt das Finanzamt, egal ob es sich um den behindertengerechten Ausbau einer Dusche, einer physiotherapeutischen Maßnahme, einer Heimunterbringung oder Kosten für Medikamente handelt, dass die Notwendigkeit durch einen Arzt, möglichst durch den betreuenden Arzt / einen Facharzt attestiert und somit bescheinigt wird.

Das bisher angeforderte amtsärztliche Attest sollte zwar nach Möglichkeit auch weiterhin bei teuren Anschaffungen zusätzlich eingeholt werden, jedoch haben verschiedene Gerichte dessen zwingende Notwendigkeit für die Anerkennung der Kosten als außergewöhnliche Belastungen abgelehnt – ein behandelnder Arzt / Facharzt muss vom Finanzamt in erster Linie als genauso fachkundig anerkannt werden.

Das ärztliche Attest sollte stets vor der Anschaffung eingeholt werden und nicht anschließend, da in diesem Fall das Finanzamt auch den Verdacht eines „Gefälligkeitsattests“ äußern und die Kosten ablehnen kann – tendenziell hat das Finanzamt damit zwar Unrecht, muss dies oft erst durch ein Gericht festgestellt werden.

Anschaffung muss auch „außergewöhnlich“ sein

Eine oft verhandelte Frage wurde jedoch wiederholt zu Ungunsten der Steuerzahler durch das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschieden: Kann man als Betroffener auch jene Kosten als außergewöhnliche Belastungen von der Steuer absetzen, die sich der „gewöhnlichen Lebensführung“ zurechnen lassen?

In der Regel wird dies durch das Finanzamt und auch durch die meisten Gerichte verweigert, falls diese Anschaffungen entweder:
– nicht notwendig sind (kein Attest, keine Anerkennung) oder
– als „nicht außergewöhnlich“ eingestuft werden können.

Beispiel: Plant eine benachteiligte Person eine Anschaffung, welche zwar als ärztlich notwendig attestiert wird, welche aber keine außergewöhnliche, sondern nur eine gewöhnliche Belastung darstellt, da die gleiche Anschaffung auch für Nichtbehinderte (zu den gleichen Kosten) notwendig oder üblich (gewöhnlich) ist, wird diese nicht als außergewöhnlich anerkannt und kann nicht steuerlich geltend gemacht werden. Das gleiche gilt, wenn es sich ebenfalls um keine zusätzliche wirtschaftliche Belastung handelt.

Beispiel: außergewöhnliche / gewöhnliche Belastung

Der oben angesprochene Beispielfall aus der jüngsten Vergangenheit: Eine in ihrer Sehkraft stark eingeschränkte Frau wollte die Anschaffung eines besonders kontraststarken Fernsehers von der Steuer absetzen, dessen Notwendigkeit ihr auch (nachträglich) vom Arzt attestiert wurde. Das Finanzamt lehnte die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung ab.

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz verweigerte die Anerkennung mit der Begründung, da:
– ein Fernsehgerät nicht existenzsichernd ist,
– das Fernsehgerät zusammen mit dem Partner genutzt wurde (und somit kein spezielles Zweitgerät angeschafft wurde = keine wirtschaftliche Mehrbelastung),
– ein Fernsehgerät zu den gewöhnlichen Anschaffungen gehöre, die bei allen Steuerzahlern im Haushalt anfällt,

und das gewichtigste Argument des Gerichts: Es handelte sich bei dem Fernsehgerät um kein Spezialgerät, sondern um einen handelsüblichen Fernseher, der lediglich konstraststärker als andere Fernseher sei, jedoch ohne einen darüber hinausgehenden, signifikanten (Preis) Unterschied – also auch von Nichtbehinderten üblicherweise am Markt erworben wird.

Im Umkehrschluss heißt dies, dass die Anschaffung von „normalen“ Haushaltsgegenständen / Einrichtungsgegenständen usw. nur dann als außergewöhnlich eingestuft werden kann, wenn:
– es sich um Spezialgeräte / Spezialanschaffungen handelt, welche mit Mehrkosten verbunden sind,
– welche existenzsichernd sind,
– und die eine wirtschaftliche Mehrbelastung darstellen.

Ein Gegenbeispiel wäre beispielsweise ein attestierter Spezialfernseher, welcher zusätzlich zum eigentlichen Gerät angeschafft werden müsste (= wirtschaftliche Mehrbelastung) und zusätzlich besonders (nicht marktüblich) ausgerüstet / beschaffen sein (Spezialanschaffung) muss, was sich in einem Aufpreis niederschlägt. Um den Risiko einer anteiligen Absetzbarkeit aus dem Weg zu gehen, sollte es sich dabei idealerweise um ein Gerät handeln, welches z. B. nicht zusätzlich durch andere, nicht eingeschränkte Haushaltsangehörige genutzt werden kann.

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